Montag, 28. Februar 2022

Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford (The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford)


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Regie: Andrew Dominik

Brilliantes Autorenkino...

Das Rad des Westerns wird mit "Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford" nicht neu erfunden. So sehr der Film mit seinen 160 Minuten Epos ist, ein Edelwestern ist er nicht, eher ein dreckiger Vertreter seines Genres.
Die zweite Arbeit des Neuseeländers Andrew Dominik bietet weder Action noch Tempo.
Die beiden Gegenspieler in "Jesse James" liefern sich eher ein ruhiges Katz- und Mausspiel mit viel Psychologie, bei dem sich am Ende die Vollstreckung als Ausweg oder Erlösungsmöglichkeit von einer starken Abhängigkeit anbietet.
Erzählt wird die uralte Geschichte um Mythen und Legenden, wie wir sie aus "Wyatt Earp" oder "Liberty Valence" kennen.
Die Quintessenz fällt aber sehr gallig und bedrückend aus.
Robert Ford (Casey Affleck) ist ein etwas naiver, nicht besonders intelligenter junger Möchtegern-Westernheld, der schon als Kind genau so ein Held wie sein verehrter Jesse James (Brad Pitt) sein wollte: Diese verehrte Legende, die schon zu Lebzeiten nicht nur gefürchtet, sondern auch als eine Art Robin Hood des wilden Westens (fälschlicherweise) von den Menschen gefeiert wurde.
Der junge Ford ist so ein Typ, der anfällig für diese verzerrte Verklärung ist. In Wirklichkeit ist Jesse James ein misstrauischer, unberechenbarer, depressiver Killer ohne Freunde, der ständig auf der Flucht lebt und keine Skrupel kennt auch seine Gangmitglieder ins Jenseits zu befördern.
Da die meisten Gangmitglieder tot oder gefasst sind, heuern er und sein älterer Bruder Frank (Sam Shepard) neue Gefolgsleute für kommende Überfälle an, einer dieser Anwärter ist der klebrige Robert Ford, dessen älterer Bruder Charlie (Sam Rockwell, Dick Littil (Paul Scheider) und Jesse Cousin Wood Hite (Jeremy Renner).

   
   
    Was dann folgt ist ein Abgesang auf den alten Westen, nichts ist so wie es scheint oder sein soll: Der junge Robert muss sich langsam aber sicher von seinem Helden- und Idolbild verabschieden. Mehr noch: Fast scheint es so, dass die grenzenlose Bewunderung immer mehr in Hass, auch Selbsthass, umschlägt. Die Ermordung der Ikone scheint unausweichlich. Natürlich spielt dabei auch eine Rolle, dass Robert Ford genauso bekannt sein möchte wie sein Held aus Jugendtagen.
Grandios sind die Darstellerleistungen der beiden Männer. Brad Pitt ist super - für seine Rolle erhielt er den Darstellerpreis der Filmfestspiele von Venedig. Auch Youngster Casey Affleck spielt einfach göttlich. Dafür erhielt eine Oscarnominierung als bester Nebendarsteller.
In wunderbaren, traumhaften Bildern inszeniert, spröde Landschaften, die aber auch die Menschen irgendwie morbide macht. Der meditative Soundtrack von Nick Cave entfaltet sich zu einem der besten Scores der letzten Jahre. Der Film ist sehr ruhig und lässt sich Zeit, die Figuren zu entwickeln. Dazu fährt er relativ lange Szenen mit prägnanten Dialogen auf. Das alles hat mich sehr stark an den Altman-Klassiker "MacCabe und Mrs. Miller" erinnert, Andrew Dominik lässt sich Zeit eine ganz besonere Atmosphäre zu entfalten. Die durchgehend melancholisch bis elegische Grundstimmung des Films war aber sicherlich das Manko an der Kinokasse. Man hat da vielleicht mit einem Megastar wie Brad Pitt mehr oberflächliches Mainstreamkino erwartet. Die Kritiken des Films waren dann ja auch zuerst verhalten bis vernichtend. Umso erfreulicher ist es, dass "Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford" sehr schnell zum einem unverzichtbaren Klassiker des Genres wurde. Bei einer BBC Umfrage über die hundert bedeutendsten Filme des 21. Jahrhunderts belegte der Film den 92. Rang. 
 
       Bewertung: 9,5 von 10 Punkten.

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